Wolkengedichte

 

Fotos und Textauswahl

 

Ingo Schieber

Helga Wolf-Domdey

Gesang des Meeres

 

Wolken, meine Kinder, wandern gehen wollt ihr?

Fahret wohl! Auf Wiedersehen!

Eure wandellustigen Gestalten

kann ich nicht in Mutterbanden halten.

Von der Erde seid ihr angezogen:

Blaue Gipfel! Küsten weit gebogen!

Dort der Stern ist eines Leuchtturms Feuer!

Ziehet, Kinder! Suchet Abenteuer!

Segelt, kühne Schiffer, in den Lüften!

Ruhet, sel’ge Geister, über Klüften!

Brauet Stürme! Blitzet! Liefert Schlachten!

Traget glühenden Kampfes Purpurtrachten!

Rauscht im Regen! Murmelt in den Quellen!

Füllt die Brunnen! Rieselt in die Wellen!

Braust in Strömen durch die Lande nieder –

kommet, meine Kinder, kommet wieder!

 

Conrad Ferdinand Meyer

 

Licht findet seine Farbenfülle erst im Widerstand der Wolken.

Rabindranath Tagore

Ich fühle mich auf der ganzen Welt zuhause, wo es Wolken und Vögel

und Menschentränen gibt.

Rosa Luxemburg

 

Huschende Fledermäuse.

Zum Trocknen

aufgehängte Kleider

Schatten dunkler Wolken

Ikaku

 

Das Märchen von der Wolke

Der Tag ging aus mit mildem Tone,

so wie ein Hammerschlag verklang.

Wie eine gelbe Goldmelone

lag groß der Mond im Kraut am Hang.

Ein Wölkchen wollte davon naschen,

und es gelang ihm, ein paar Zoll

des hellen Rundes zu erhaschen,

rasch kaut es sich die Bäckchen voll.

Es hielt sich lange auf der Flucht auf

und sog sich ganz mit Lichte an, -

da hob die Nacht die goldne Frucht auf:

Schwarz war die Wolke und zerrann.

Rainer Maria Rilke

 

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